Wenn königliche Diven aufeinander krachen
von Hillevi Hofmann – Am Donnerstag Abend ließ Regisseur Günter Krämer „Maria Stuart“ mit einer großartig dominanten Queen Elizabeth aufeinander krachen.
Im Theater in der Josefstadt kam am Donnerstag erstmals wieder ein echter Klassiker auf die Bühne. In „Maria Stuart“ läßt Erfolgsregisseur Günter Krämer die extravagante wie divenhafte Queen Elizabeth I. (beeindruckend gut: Sandra Cervik) auf die seit 19 Jahren inhaftierte Schottenkönigin (Elisabeth Rath) los.
Ein echter Klassiker
Hausherr Herbert Föttingerwollte ja eigentlich seiner Maxime
„Klassiker haben an der Josefstadt nie besonderen Anklang gefunden“ treu bleiben und keine typischen Klassiker mehr auf die Bühne bringen. Vielmehr setzt der Josefstadt-Visionär seit Jahren auf filmische Stoffe, alt wie neu, was vermehrt junges Publikum in das altehrwürdige Haus an der Josefstädter Straße zieht. Nun ließ der Josefstadt-Direktor aber aufgrund der aufregenden Inszenierungsidee Krämers dennoch Schillers „Maria Stuart“ – mit einem Mini-Ensemble aus sechs Personen – umsetzen. Und das war gut so.
Der bessere Titel wäre „Queen Elizabeth“
Bei Krämers „Stuart“ geht es, wie bei Schiller, nicht um die historischen Persönlichkeiten, sondern vielmehr um den Konflikt zweier großer Theaterdiven. Vorweg sei eines gesagt: Nach der gestrigen Premiere sollte man das Stück eigentlich umtiteln auf „Queen Elizabeth“. Denn Sandra Cervik stand an diesem Abend durch ihre großartige darstellerische Leistung definitiv im Vordergrund. So gab sie eine durchaus verletzliche, gequälte, verunsicherte wie auch humorvolle Regentin zum Besten. Köstlich die Szene, als Elizabeth vorm Spiegel ihre Rede probt und dabei zwischen Berlinerisch und Wienerisch changiert.
Ein Hauch von Marilyn Monroe
Ganz besonders stimmig ist der Beginn, als Cervik alias Elizabeth beinahe einen Hauch von Marilyn Monroe versprüht. Dabei geht sie so sexy wie zerbrechlich von der Bühne ab. Fast wirkt die ganze Szenerie wie aus einem Hitchcock-Klassiker. Stimmig die Kostüme von Isabel Glathar, stimmig die Vintage-Musik aus dem Plattenspieler. Überhaupt ist das ästhetische Bühnenbild von Herbert Schäfer sehr schön anzusehen. Die Bilder haben ihre Wirkung.
Blickfang „Korsett-Brüste“
Und plötzlich, ehe man sich versieht, kippt das ganze Spiel ein wenig ins Melodramatische. Die anfangs heitere Gelassenheit springt unvermittelt in nervenzerreissende Anspannung um. Weg ist der Monroe-Flair, jetzt sieht man Elizabeth, wie sie wirklich ist. Eine machthungrige Monarchin, die über Leichen geht und stolz ihre entblösten „Korsett-Brüste“ zur Schau stellt (Ein echter Hingucker). Ihrer ebenbürtig ist allerhöchstens Dudley, Graf von Leicester (sensationell: Tonio Arango).
Dudley, der machtgeile Frauenheld
Er weiß, wie man die Königin zu nehmen hat. Und er nimmt sie gut. Weil auch er ein machtgeiler Frauenheld ist, dessen Herz im Stillen noch immer an Maria (Stuart) hängt. Diese war ihm einst nicht mächtig genug. Er strebte nach mehr. Held genug, sie aus ihrer Gefangenschaft zu befreien, ist er nicht. Das erledigt der ebenfalls der schönen „Mary“ verfallene Heißsporn Mortimer (Raphael von Bargen).
Männer sind Schweine!?
Elizabeth glaubt in beiden Männern Günstlinge zu haben und wird am Ende doch so bitter von ihnen enttäuscht. Einziger halbwegs treuer, wenngleich auch forscher Spielball in Elizabeth‘ Kosmos ist Staatssekretär Wilhelm Davidson (Roman Schmelzer). Ein paar britische Soldaten runden das „6-Personen-Ensemble“ auf. Die aufgehängte Wildsau ließ das Premierenpublikum beinahe vor Entzückung jauchzen, bluten hätte es aber doch ein bisserl mehr dürfen, so der allgemeine Ton. Soll eben diese ausblutende Wildsau Elizabeths Rache an der Männerwelt darstellen? Man weiß es nicht. Und es ist auch ganz egal. Die Wildsau ist und bleibt einfach cool.
Elizabeth, der Bastard
Als Elizabeth sich schließlich auf Graf Leicesters Idee, Maria endlich von Angesicht zu Angesicht zu treffen einläßt, muss diese bitter erkennen, wie stolz und ungebrochen die Stuart auch nach 19 Jahren Kerkerschmach noch ist. Beinahe zerbricht Elizabeth daran und entrinnt zudem nur knapp einem hinterhältigen Attentat. Nun gibt es keine Hoffnung mehr auf Begnadigung. Gab es ja eigentlich auch nie. Und dann hat ihr die schottische Verwandte auch noch das böse Wort „Bastard“ entgegen geknallt. Jetzt ist Schluß mit lustig. Und Elizabeth entschlossener denn je. Maria muss weg.
Königliche Sandra Cervik
Es kommt wie es kommen muss. Maria stirbt (hier etwas seltsam als Selbstmord angedeutet) und Liz bleibt Königin von „Engeland“. Elisabeth Rath kommt an diesem Abend nicht gegen die mächtige Performance einer Sandra Cervik an. Vielleicht gewollt? Ihr Spiel im Kerker ist einen Hauch zu lang. Zu wenig glaubt man, dass diese Frau seit 19 Jahren tagtäglich alleine mit sich konfrontiert ist. Sie müsste logischerweise die Wahnsinnige sein. Nicht Elizabeth, auch wenn Regenten oft und gerne dem Wahn verfallen.Wer weiß. Starke Emotionen ruft das Stück zwar nicht wirklich hervor, dafür aber umso schönere Bilder zweier so gegensätzlicher Königinnen. Eine durchaus gelungene und sehenswerte Maria Stuart. Und Sandra Cervik: königlich!